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Mittwoch, 3. September 2014

Gute-Laune-Blüten

Manchmal, nur manchmal kann man Mario auch außerhalb seines Lokals treffen. An diesem ausnahmsweise mal wirklich schönen späten August-Vormittag mitten in München – auf einen kurzen Kaffee. Für mich? Cappuccino! Das leiste ich mir selbst im Beisein eines Italieners, der ihn nur am frühen Morgen trinkt. Für Mario gibt es deshalb: einen Caffè. Wo? Natürlich dort, wo es den besten der Innenstadt gibt: am Kaffeestandl "Espresso am Viktualienmarkt". Schon beim Hinschlendern hüpft mein Herz. Nicht nur in Vorfreude, sondern weil uns sonnengelb Zucchiniblüten entgegenleuchten, alle fein gestapelt.



Gute-Laune-Farbe, sagt Mario, als könnte er meine Gedanken lesen. Für ihn, erzählt er, hätten Zucchiniblüten eine ganz besondere Bedeutung: Es ist die Leichtigkeit, Maria, wie gemacht für meine Cucina del Sole. Aber schau nur, dieser Überfluss ... Erinnert das nicht an die Malerei des Mittelalters und der Renaissance? Auch dort waren immer Zucchini zu finden, in allen Formen, vielen Farben und auch mit Blüten. Die Zucchini galt von jeher als ein Symbol der Fülle, der Sonne ... Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich vor lauter Ungeduld Mario unterbrechen muss, als er so ins Schwelgen gerät: Ja, Mario, ich find im Moment aber vor allem eines gut: dass du da bist. Du musst mir ein Rezept für die Blüten verraten. Eins ohne viel Schnickschnack ... Und wieder weiß der Mann, was ich meine: Ja, Maria, fast immer wird das Aroma der Zucchini von zu vielen Zutaten übertüncht, zu schwere Begleitung nimmt ihnen diese Leichtigkeit. Komm mit, Du bekommst einen kleinen Kochkurs. Ich hab heute Morgen eingekauft. Glück gehabt, es ist Donnerstag, Großmarkttag fürs Acquarello.

In der Küche geht dann alles ziemlich ruckzuck. Mario, mehr brauch ich wirklich nicht? Nein, Marinella. Wofür auch? Zucchiniwürfel für die Füllung, Bierteig zum Ausbacken, ein paar Tomaten, ein wenig Safranschaum, um diesen milden, eleganten Geschmack zu unterstützen. Und wenn Du besonders liebe Gäste hast, krönst Du alles mit einer Gamba, die mit einem Basilikumzweig in Olivenöl und einem Klacks Butter gegen Ende der Garzeit angebraten wird.

Ich hab mir’s schon gedacht: Ein Multitasking-Problem hat Mario definitiv nicht, denn während er erzählt füllt, frittiert und brät er. Und inszeniert sein Werk auf dem Teller. Die Blüte geteilt, die Schnittflächen mit ein wenig Olivenöl glasiert – fertig! Cucina del sole, Maria, lass Dir den Sommer schmecken. Volentieri, Mario! Grazie!  


Gebackene Zucchiniblüten an Safranschaum

4 Zucchiniblüten
2 Zucchini                                         
50 ml Olivenöl
25 g Butter                                        
Trüffelöl                                             
Salz, Pfeffer

Für den Bierteig:
200 g Mehl
¼ Weißbier
Salz, Zucker
2 Eigelb
50 g flüssige Butter
2 Eiweiß

Für die Safransauce:
2 Schalotten
¼ Weißwein
½ Sahne
50 g Butter
Safranfäden
Salz, Pfeffer

Für die Gambas:
4 Gambas, roh, küchenfertig, entdarmt
4 Zweige Basilikum
Olivenöl
Butter

Für die Tomatenconcassée:
4 Tomaten


Aus den Zucchiniblüten den gelben Blütenstempel entfernen. Die Zucchini in ca. 4 mm große, gleichmäßige Würfel schneiden und in einer heißen Pfanne in Olivenöl und Butter anschwitzen. Mit Salz und Pfeffer würzen, anschließend die noch bissfesten Zucchiniwürfel in ein Sieb geben, abtropfen und auskühlen lassen. Mit Trüffelöl aromatisieren. Die Masse in einen Spritzbeutel (ohne Tülle) geben und in die Zucchiniblüten füllen, anschließend gut verschließen.




Für den Bierteig Eigelb, Bier, eine Prise Salz und Zucker vermischen, anschließend das Mehl und die flüssige Butter unterrühren. Eiweiß steif schlagen und vorsichtig unter die Masse heben.

Für die Safransauce die  Schalotten schälen, in feine Würfel schneiden und mit dem Weißwein und den Safranfäden auf die Hälfte einkochen. Die Sahne dazugeben und nochmals einkochen lassen. Die Sauce passieren, mit der Butter montieren und mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Für die Tomatenconcassée die Tomaten in kochendem Wasser blanchieren, anschließend in Eiswasser abschrecken. Die Haut abziehen, die Tomaten vierteln, das Kerngehäuse entfernen und die Tomatenviertel in feine Würfel schneiden.


Die Gambas im heißen Öl von allen Seiten anbraten, bis sie Farbe angenommen haben, dabei jede mit ein paar Basilikumblättern abdecken. Tomatenwürfel an der Seite der Pfanne mitanschwitzen. Kurz, bevor die Garzeit zu Ende ist, ein paar Butterflöckchen zugeben.


Die Zucchiniblüte mit der Gabel durch den Bierteig ziehen und im ca. 180°C heißen Frittierfett goldbraun backen. Herausnehmen und auf Küchenkrepp abtropfen lassen. Die warme Zucchiniblüte halbieren, Schnittflächen mit einem Pinsel mit etwas Olivenöl glasieren und auf  einen vorgewärmten Teller geben. Mit Safransauce umgießen, mit der abgeschmeckten Tomatenconcassée und den Blütenstempel oder kleinblättrigem Basilikum garnieren.



Montag, 4. August 2014

Laudatio an die Einfachheit

Was für ein Jahr, Mario! Meine Tomaten – eine Explosion! Ja, Marinella, dann komm! Komm vorbei und probier – hier sind sie auch reif ... Nicht viel, was ich lieber tun würde! Und? Was macht Mario? Beantwortet meine Explosion mit einer Sensation: Tomatenterrine! Verpackt in hauchdünne Scheiben von der Aubergine, beträufelt mit ein paar Tropfen altem Balsamico, und schon ist klar, warum die Tomate in Österreich Paradeiser heißt. Mario, hier tut sich grad der Himmel auf. Und wirklich, die Terrine zergeht wolkengleich auf der Zunge. Ich weiß, Maria! Tomaten sind deshalb für mich die Verkörperung des Sommers. Weil sie die Sonne speichern und die perfekte Balance haben zwischen Säure und Frucht. Gib ein bisschen Meersalz dazu, ein wenig Tropea-Zwiebel, Olivenöl, Zitrone. Dazu Andria-Brot ­– die perfekte Liaison. Na, in der Terrine herrscht auch kein Streit ...

Die Tomate, Maria, erzählt dir, woher sie kommt, wenn sie im richtigen Moment geerntet wird. Mach die Augen zu und sie erzählt dir von der Landschaft, aus der sie kommt. Die San Marzano aus Süditalien, fantastisch für Saucen, die traubenförmige Pachino aus Sizilien, oder die Vesuvio-Tomate, die sehr mineralisch und leicht bitter schmeckt. Eine eigensinnige Frucht, die wie Wein gehandelt wird. Jeder Jahrgang spricht eine andere Sprache. Voraussetzung ist natürlich das Wissen und die Erfahrung um den Geschmack. Was – wie bei allen Lebensmitteln – mit Respekt und Verantwortung vor der Natur und sich selbst zu tun hat. Man muss wissen, wo man ist, wann der richtige Moment ist. Du siehst es in deinem Garten, Marinella. Jetzt ist die richtige Zeit für Tomaten.

Aber wusstest Du, dass man sie zunächst gar nicht als Frucht bzw. Lebensmittel wahrgenommen hat, Maria? Sie kam im 15./16. Jahrhundert aus Peru nach Europa. Die Spanier hatten sie importiert, in Italien gab es die meisten Plantagen – mit über 2500 Sorten! Mitte des 19. Jahrhunderts erschien das legendäre Kochbuch Il Cuoco Galante von Vincenzo Corrado, mit fantastischen Rezepten für gefüllte und gebratene Tomaten.


Und, Maria, es gibt eine nette Anekdote über den kulinarischen Startschuss für die Tomate: Die politischen Gegner des amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln hatten dessen Koch überredet, Lincoln zu vergiften – mit einem Tomaten-Gericht. Keiner konnte damals ahnen, was für eine Spezialität sie da vor sich hatten. Es ging schief, der Präsident überlebte – und? Das war der Anfang unserer Leidenschaft für die Tomate. Und schau, Maria, was daraus geworden ist! Kulinarische Explosionen wie diese Terrine! Was wohl der Präsident dazu gesagt hätte ...?




Tomatenterrine mit altem Balsamico

(für eine kleine Terrinenform von ¼ Liter Inhalt)

1 Aubergine, auf der Aufschnittmaschine längs in dünne Scheiben geschnitten
Salz, Pfeffer aus der Mühle
Piment d´Espelette
Zucker
3 EL Olivenöl
4 große Tomaten (am besten Ochsenherz), gehäutet
4 Blatt Gelatine, kurz in kaltem Wasser geweicht
alter Balsamico


Die Auberginenscheiben mit Salz und Pfeffer würzen und im heißen Olivenöl auf beiden Seiten braten. Auf Küchenpapier gut trocken tupfen. Die Terrine mit Klarsichtfolie auskleiden, dann mit Auberginenscheiben so über die Terrinenform überlappend auslegen, dass die Tomatenmasse damit abgedeckt werden kann.




Die Tomaten quer halbieren und entkernen. Die Kerne und die Schale zusammen mit Salz und Zucker einmal aufkochen und durch ein Sieb streichen. Pro Portion 1 EL für den Tomatenspiegel zum Anrichten beiseite stellen. In der restlichen Flüssigkeit die ausgedrückte Gelatine auflösen.



Die Tomaten fein würfeln oder mit der Kartoffelpresse auspressen, sodass die Flüssigkeit möglichst weitgehend entfernt wird. Das Tomatenfleisch gut unter die vorbereitete Tomatenflüssigkeit rühren, mit Salz, Pfeffer und Piment d´Espelette abschmecken. Die Masse in die vorbereitete Terrinenform füllen und mit den Auberginenscheiben bedecken. Mindestens 12 Stunden kalt stellen.

Die Terrine aus der Form stürzen, Folie abziehen und mit einem sehr scharfen Messer in Scheiben schneiden. Jeweils eine Scheibe auf einem Tomatenspiegel anrichten, mit dem altem Balsamico beträufeln und mit Basilikum anrichten.